Yedea
Staat
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Sanfte Hügel, bedeckt vom gelbblättrigen Gras des yedeitischen Hochlandes, friedlich an den Hängen grasende Schaf- und Ziegenherden, kleine Dorfgemeinschaften, errichtet aus weiß getünchten Lehmbauten, hin und wieder ein kleines Zelt, in dem der Schäfer die Hitze des Mittags zubringt, Wege, streckenweise gesäumt von knorrigen Olivenbäumen, niedrige Mauern aus aufeinandergeschichteten Steinen; Das ist das Bild, das Yedea dem Besucher bietet.
Und diese Idylle ist nicht einmal ein Trugbild: die Menschen, die hier leben, haben eine Kultur geschaffen, die älter ist als alle anderen menschlichen Kulturen und doch von Frieden und tiefem Glauben an Hostinos erfüllt wird. Ein Yedeit, wie sich die Menschen dort selbst nennen kennt nichts Heiligeres und Schützenswerteres als seine Familie und seine Glaubensgemeinschaft. Gemeinsam werden Feste gefeiert, gemeinsam bringt man die Ernte ein, gemeinsam trägt man Freud und Leid.
Insgesamt ist Yedea relativ dicht besiedelt und zwischen Bet-Narekem und der Küste kann man fast alle Stunde auf ein Dorf treffen.
Yedea ist schon seit vielen Jahrhunderten Kulturland und traditionell von Menschen bewohnt. Ja, es ist sogar als das Stammland der Menschen zu bezeichnen, denn nicht nur die älteste Menschenstadt Chrestonims wurde in Yedea erbaut, sondern die großen Zuwanderströme, die Ashrabad, Vorovis und später auch Estichà erlebten, hatten ihren Ursprung aus Yedea. Dem alten Yedea. Denn in den letzten einhundert Jahren hat sich das Gesicht Yedeas stark gewandelt und noch immer sind die Risse und Wunden zu spüren, die die Zeitenwende im Land aufgerissen hat.
LANDSCHAFT
Yedea ist ein weites Land, das sich von den Ausläufern des Votràyis-Gebirges bis hin zum Großen Strom erstreckt. In seinem Süden, eingekeilt zwischen den steilen Bergrücken des sich aufteilenden Votràyis fühlt man sich in eine andere Welt versetzt: die Wolken werden von den Gebirgszügen nach Süden abgelenkt, so daß hier die regentrockenste Region ganz Chrestonims zu finden ist. Der gelbe, bröckelige Stein öffnet Schluchten und Klippen, Spalte und Furchen und spannt Labyrinthe aus Höhlen und falschen Pässen auf. Uralte Ölbäume, Pinien und knorrige Korkeichen treiben ihre Wurzeln in den trockenen Boden oder haben sich an den reichlich aus den Bergen fließenden Bächen versammelt um den Schaf- und Ziegenhirten ein wenig Schatten zur Mittagszeit zu gewähren, während deren Tiere das gelblich-mattgrüne, rauhe, ja manchmal sogar scharfkantige Gras abweiden. Eine gewisse Romantik ist dieser verlassenen Ecke der sonst so überfüllten und lauten Dschungelwelt nicht abzusprechen, wenn nur der Wind den einen oder anderen losen Stein veranlasst, sich aus dem allgegenwärtigen Geröll zu lösen und in wildem Tanz den Hang hinunterzustürzen.
Das Gesicht dieser Landschaft wandelt sich nur langsam und ebenso zögernd erreichen einen die ersten Anzeichen menschlicher Bautätigkeit: vereinzelt stehen kleine, niedrige Lehmhütten, halb im Erdboden verschwindend eng beieinander um ein Dreißig-Seelen-Dorf zu bilden. Steinige Pfade, die jedem Holzkarren binnen kürzester Zeit die Räder zerspringen lassen, winden sich durch die hügeliger werdende Region.
Schließlich jedoch obsiegt die menschliche Siedlungs- und Kultivierungswut und die ersten kleineren Städtchen und eingermaßen begehbaren Straßen, sauber umrahmt durch sorgfältig aufeinandergeschichtete Steinmauern, bieten dem müden Wanderer Gastlichkeit, Schutz vor der sengenden Sonne und Erlösung für die ausgetrocknete, von Staub aufgerauhte Kehle. Kleine Felder wechseln sich nun mit Weiden und über die Hügel verstreuten Olivenhainen ab, bis endlich auf der Höhe der yedeitischen Hauptstadt Bet-Narekem die Region eindeutig als Kulturland zu erkennen ist. Wenngleich man sich wundern muß, daß der so unfruchtbar aussehende, gelblich-braune felsige Boden überhaupt eine Großstadt ernähren kann, so legen die Ernten doch beredtes Zeugnis darüber ab, daß mit Fleiß und - nach Ansicht der yedeitischen Priester - Frömmigkeit auch der rauhste Landstrich in ein blühendes Paradies zu verwandeln ist.
Je weiter man nach Norden vordringt, desto schneller fällt das Land zum großen Strom hin ab. Regelmäßiger Regen, wenn auch spärlicher als anderswo kann den Grundcharakter der Landschaft aber nicht verändern: dorniges Buschwerk, Öl- und Olivenbäume, Pinien und Zypressen und das allgegenwärtige gelbblättrige Gras verleihen dem Land eine herbe Schönheit und so wird wohl keiner der Einwohner der zahlreichen kleineren Städtchen den Blick zwischen den uralten edlen Zedern hindurch auf den Großen Strom missen wollen.
LANDESTEILE
Wenn auch die ganze Region als Yedea bezeichnet werden kann, so verwenden die Einwohner der Städte und Dörfer nur selten diesen Begriff für ihre Heimat. Stattdessen verwendet man uralte Namen, die noch aus der Zeit stammen, als die Region noch nicht unter einer gemeinsamen Regierung standen.
So kann man grob drei größere Regionen voneinander unterscheiden: die südlichste und am dünnsten besiedelste Region trägt den Namen Shedal. Von wirtschaftlich geringer Bedeutung (von den Bleiminen abgesehen), umgeben von steilen Gebirgszügen ist das Shedal als Siedlungsgebiet nicht gerade beliebt.
Das Galad hingegen gewann vor allem durch das in seinem Zentrum gelegene und in den letzten 30 Jahren aufgeblühte Bet-Narekem an Bedeutung, war jedoch auch schon vorher als Kernland der yedeitischen Kultur von großem Wert.
Der breite Küstenstreifen schließlich, der auch das Hinterland von Gilgat und Sedib umfaßt, ist allgemein als Yeshalid bekannt. Traditionell eine Region, die reich an wertvollem Zedernholz und anderen Naturalien war, nimmt es auch nicht Wunder, daß sie die Entwicklung der beiden Küstenstädte beschleunigte und zu ihrer heutigen Stellung beitrug.
REISEN
Pferde mögen schon und gut sein, aber Yedea ist ein rauhes, felsiges Land und wie oft hat sich schon ein teuer erstandenes Pferd nach einem Fehltritt ein Bein gebrochen? Und wer kann sich solch ein Tier schon leisten? Auch Reitechsen sind nichts rechtes für den Bewohner dieser Region - auch sie sind teuer, schwer unter Kontrolle zu halten und außerdem von der Priesterschaft nicht gerne gesehen.
So ist DAS Transportmittel schlechthin das Maultier. Billig, zahm und leicht zu pflegen kommen sie mit schweren Lasten, schwierigen Pfaden und weiten Strecken gut zurecht. Sie sind wirklich allgegenwärtig: in den Städten, in den Dörfern, überall stehen sie aneinandergereiht und warten mit den Ohren lästige Fliegen verjagend geduldig auf ihre Besitzer.
Nur ganz selten sieht man auch einmal Kamele - doch können diese sich fast nur große Handelshäuser leisten, die große Karawanen durch ganz Yedea schicken um die Güter des Landes in die Allianz zu verkaufen.
Das Reisen in Yedea ist nicht immer angenehm. Die Wege sind steinig, die wenigen Wolken vermögen kaum, die Hitze zu verdrängen. Sicher - die Einheimischen mögen die etwas trockenere Luft, aber für den "Ausländer" ist Yedea nicht einfach zu verkraften.
Bewegt man sich zwischen der Dörfer auf den Straßen, so braucht man tagsüber keine Gefahren wie wilde Tiere oder Räuber zu fürchten. Die Wanderwege sind voll von allem denkbaren Volk, man kann davon ausgehen, daß man selbst in unwirtlicheren Gegenden des Galads oder der Küstenregion mindestens alle zwei Stunden jemandem begnet. Nachts kann es jedoch in der Nähe des Gebirges vorkommen, daß ein paar Wölfe in die Täler schleichen, um ein Schaf von der Weide zu reißen. Zwar halten sich die Tiere meist von den Feuern der unter freiem Himmel Nächtigenden fern, doch gibt es auch Berichte von von Wölfen überfallenen Nachtlagern. Vorsicht ist also in den Grenzgebieten durchaus anzuraten. Im Landesinneren kann man sich allerdings getrost zur Ruhe betten, wenngleich man vor Dieben eigentlich nirgendwo sicher ist.
Einem Abenteuer kommt hingegen das Reisen im Shedal gleich: nicht nur, daß hier die Tierwelt einen ausgeprägteren Jagdinstinkt zu besitzen scheint, auch einige der Nomadenstämme scheinen einen ständigen Bedarf an Waren zu haben, für die sie partout nicht bezahlen wollen.
Eine alte Sitte ist es hingegen, auf Straßen nicht einfach aneinander vorbeizugehen. Auch mit einem freundlichen Gruß ist es noch nicht getan. Nein, man hält grundsätzlich an und beginnt ein Gespräch miteinander. Zwei Reisende die sich treffen berichten sich immer gegenseitig von den Ereignissen, die ihnen erwähnenswert erscheinen, ja sie begegnen sich beinahe wie alte Freunde. Nicht selten setzt man sich unter einen nahen Baum in den Schatten, öffnet den Weinschlauch und bietet dem Reisenden etwas davon an. Kommt noch ein dritter Wanderer, so setzt er sich nach höflicher Einladung der beiden ersten hinzu und teilt mit ihnen seine Vorräte, erhält im Gegenzug aber auch einen Bissen vom Proviant der anderen. So braucht man sich nicht wundern, sieht am Wegesrand der schmalen Straßen kleine Gruppen von fünf oder sechs Mann beieinander sitzen und als fröhliche Gemeinschaft miteinander feiern. Auch das trägt sehr zur Sicherheit der Straßen bei: Gefahrenquellen werden so schnell bekannt und auch Nachrichten verbreiten sich in Windeseile bis in den letzten Winkel des Landes. Man scherzt gerne darüber, daß bevor ein Bote eine Nachricht von Gilgat nach Bet-Narekem an des Königs Hof gebracht hat, der Stallknecht des Königs es schon auf dem Markt gehört habe.
VÖLKERSCHAFTEN
Yedea ist zum überwältigenden Anteil menschlich. Einzig in den Städten mag man noch andere Rassen antreffen.
Am besten bekannt und auch die zweitstärkste Fraktion im Land sind die Chirà, die sich aber ausschließlich auf die Städte konzentrieren und dort allen vor auf Gilgat. Viele Chirà haben in den letzten Jahrzehnten Yedea verlassen, obwohl sie damals allgegenwärtig waren. Der strenge yedeitische Glauben mit seiner Ernsthaftigkeit und Prüderie feindete die liberalen Sitten der Chirà an und je mehr der Glaube an Macht gewann, und je strenger die Sitten und Regeln wurden, desto mehr fühlten sich die Chirà unwohl in den Dörfern und Kleinstädten. Die meisten wandten sich in die Großstädte Bet-Narekem und Gilgat.
Sragon waren nie eine nennswerte Gruppe in Yedea. Das Klima scheint nich das richtige für sie zu sein, nur einige wenige fristen ein Dasein als einfache Arbeiter in den Städten.
Die Unuim hingegen sind in Yedea erstaunlich gut vertreten und auch gern gesehen. Sie tragen schließlich mit ihren Luftschiffen wesentlich zur Versorgung des Hinterlandes bei. Als Händler und Schriftgelehrte sind sie fast überall in Yedea geschätzt, ganz besonders in den ländlichen Regionen, wo sie gerne als Dorfweise über Probleme aller Art befragt werden.
ZAHLUNGSMITTEL
Auch wenn Yedea einige Veränderung in den letzten Jahrzehnten mitmachen mußten, die gewaltige Handelskraft, die vom großen Strom ausgeht und besonders von Ashrabad und der Allianz beherrscht wird hat dafür gesorgt, daß es bei einem kläglich gescheiterten Versuch blieb, als es darum ging, eine eigene Währung einzuführen. Der Auran ist die Münze, die jeder im Lande mit Freuden annimmt, seien es , sei es nun Schweinehirte oder Teppichhändler. Wenn auch die Dublone denselben Wert besitzt, so wird sie doch nicht so gerne gesehen, schließlich könnte sie ja aus Vorovis kommen und allem, was aus Vorovis kommt, steht man mit Argwohn gegenüber.
GASTLICHKEIT; SPEIS & TRANK
ist oberstes Gebot. Gastfreundschaft wird auf dem yedeitischen Land in so starkem Maße gepflegt wie in keinem anderen Landstrich der Welt. Der Gast, auch wenn er ein vollkommen unbekannter Reisender ist, wird umgehend an die Tafel geladen, um mit dem Hausherren zu speisen und von seinen Reisen zu berichten. Jedes Haus verfügt über einen bestimmten Raum, der mit einfachen Heusäcken ausgestattet Platz für mindestens vier Besucher bietet. Auch der ärmste Nomade wird gerne Wanderer bei sich aufnehmen, ihnen von seinem Fladenbrot und seiner Ziegenmilch anbieten.
Diese Gastfreundschaft wird aber oft nur Menschen zu Teil, die aus dem yedeischen Kulturkreis stammen. Fremden Rassen (außer Unuim) oder Menschen, die aufgrund ihrer Kleidung als Auswärtige zu erkennen sind (z.B. aus Vorovis, Estichà oder Ashrabad Stammende) werden mit größerer Argwohn betrachtet. Das liegt nicht unbedingt an einer Fremdenfeindlichkeit, vielmehr kann man sich bei Einheimischen darauf verlassen, daß sie das Gastrecht nicht verletzen, also nicht auf die Idee kommen, nachts ihre Gastgeber auszurauben. Ausländer, die die Sitten nicht kennen, könnten da schon eher in Versuchung kommen.
Die Tafel Yedeas ist schlicht gedeckt - Ziegen-, Schafs- und selten auch mal Kuhmilch ist neben Wasser und Wein das häufigste Getränkt. Besonders Wein kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da er bei heiligen Mahlzeiten zu den zahlreichen Festen der Yedeiten gereicht wird und auch häufig als Opfergabe in den Tempeln dient. Als Hauptnahrungsmittel galt natürlich ein nur schwach gesäuertes Fladenbrot (vor allem aus Weizen oder Gerste), Feigen, Oliven, allerlei Obst, hin und wieder ein wenig Fleisch in Form eines Hammels oder eines Lamms.
Mit dem Aufkommen des Yedeismus und dem Sittenwandel haben auch Essensregeln Einzug gehalten: so ist es streng verboten, geschuppte oder gefiederte Tiere zu sich zu nehmen, auch Eier gelten als unrein und dürfen nur an wenigen Tagen des Jahres verspeist werden.
Die Mahlzeiten werden traditionell mit dem ganzen Familienkreis einschließlich eventuell anwesender Gäste eingenommen. Zu Beginn obliegt es dem Hausherrn als heiliges Privileg, ein langes Dankesgebet an Hostinos zu richten und mit zahlreichen Gesten die Speisen zu segnen. In einigen Regionen, besonders in Galad in den Dörfern rund um Bet-Narekem dürfen die Speisen nicht eher gegessen werden, als daß der örtliche Priester in das Haus der Familie gekommen ist und die Speisen rituell gereinigt hat. Und das jeden Abend. Das Frühstück wird meist nur mit Obst bestritten, das Mittagessen fällt des öfteren ganz aus - die große Hitze, die über dem Land liegt, wenn die Sonne senkrecht über Yedea steht vertreibt auch meist jeden Appetit.
Die Tischsitten sind in manchen Bereichen recht streng. Galt früher die Hausherrin genauso viel wie der Hausherr, so stellt der Yedeismus eindeutig den Mann über die Frau. (Auch das ist ein Grund, warum sich die Chirà zusehends aus Yedea zurückgezogen haben.) Es ist an ihr und an den Töchtern des Hauses, den Hausherrn und seine Gäste zu bedienen. Erst wenn sie volle Teller und bereits mit dem Essen begonnen haben, dürfen die Frauen ihrerseits ihre Mahlzeit zu sich nehmen.
Das Reden bei Tisch gehört zu den obersten Pflichten eines jeden Gastgebers und Gastes. Gegessen wird natürlich mit den Fingern, einzig ein Messer liegt bereit.
KLEIDUNG
Ein Kleidungsstück gilt geradezu als Markenzeichen für Yedea: die Sandale. Materialsparend, praktisch und für das heiße Jahreszeit für die Füße angenehm. Dazu werden meist lange Gewänder getragen, einfach im Schnitt und mit Gürteln aus Tuch, die einfach um den Bauch gebunden werden, zusammengebunden. Fast ständig wird eine Kopfbedeckung getragen, meist in Form eines Turbans oder eines Tuches, das auch den Nacken bedeckt und mit einem Stirnband am Platze gehalten wird. Das Tragen von Bärten ist fast schon Pflicht in Yedea.
Frauen tragen lange Tuniken, die locker über die Schultern geworfen und dann um die Unterarme geschlungen werden, aber auch richtige Kleider mit langen Röcken sind verbreitet. Ein Kopftuch ist keinesfalls Pflicht, auch wenn es so scheinen mag, sondern wird einfach zum Schutz vor der Sonne bei jedem Gang aus dem Haus übergestreift.
ROHSTOFFE, HANDWERK, HANDEL & HANDELSGÜTER
Yedea hat dem Händler viel an Rohstoffen zu bieten: in den Bergen finden sich Vorkommen von Blei und Kupfer. Die Kupferminen finden sich unweit von Gilgat, vielleicht eine halbe Tagesreise Richtung Süden. Die Minen sind klein und werden meist nur von wenigen, hart arbeitenden Menschen betrieben. Die Vielzahl der Anbieter auf dem Gilgater Markt bringt zwar den Händlern, die das verarbeitete Kupfer weiterverkaufen ansehnliche Profite, der Zulieferer muß sich jedoch seine Preise von der vielköpfigen Konkurrenz diktieren lassen - der Käufer hat viele Möglichkeiten, sein Kupfer auch woanders zu erhalten.
Blei hingegen gewinnt man aus den Gebirgen im Shedal, dem wilden Süden, wird dort entweder von ehemaligen Nomadenstämmen abgebaut, die die Einnahmequelle erkannt haben und ihr altes Leben des Umherziehens aufgegeben haben oder von kleinen Handelskonsortien, die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam das kostspielige und gefährliche Unternehmen am Laufen zu halten.
Immer wieder halten sich hartnäckige Gerüchte, die von Rubinvorkommen im tiefsten Shedal erzählen, doch konnte bisher nichts gefunden werden. Wer weiß, ob es sich nicht doch nur um wiederaufgetauchte Schmuckstücke handelt, die einer der Nomadenstämme unrechtmäßig an sich genommen hat.
Aufgrund des außergewöhnlichen Klimas hat Yedea die Möglichkeit, Holzprodukte zu liefern, die das sonst dicht von Urwald überwucherte restliche Chrestonim nicht bieten kann: duftendes Zedernholz, Zypressen, Kork aus Korkeichen und Buchsbaumholz. Es ist aber nur ein kleiner Wirtschaftszweig.
Im Landesinneren, rund um Bet-Narekem herum wird vor allem Getreide angebaut, ganz besonders Gerste und Weizen, ebenso Oliven, Granatäpfel, Kassia und Wein sowie diverse Zitrusfrüchte, die allesamt gerne gehandelt werden. Auch Öle aus Yedea erfreuen sich großer weltweiter Beliebtheit, Balsame, Wachse und Honig ergänzen das reichhaltige Angebot. Papyrusverarbeitung steht besonders in Gilgat hoch im Kurs, das Papyrus muß jedoch, nachdem die örtlichen Bestände ausgerottet wurden, von weiter stromaufwärts herbeigeschafft werden.
Besonders die Landbevölkerung verdient sich mit Wolle ihren Lebensunterhalt und die Märkte der yedeitischen Küstenstädte und -dörfer werden von einem schier unendlichen Strom von Wollprodukten überschwemmt (und auch mit den dazugehörigen tierischen Produkten wie Lämmerfleisch, Milch, Schafskäse oder die Tiere selbst, zusammen mit Ziegen und Widdern), obgleich der Großteil der Wolle für den Eigenbedarf im Land gebraucht wird. Schließlich sei noch die Teppichknüpferei erwähnt, auch wenn man sich hier einen harten Konkurrenzkampf mit Ashrabad liefert.
Eine der geschätztesten Waren aus Yedea jedoch ist das Glas. Es ist überall bekannt, daß gerade die Handwerker Sedibs und Gilgats es verstehen, wunderbaren Schmuck aus Glas herzustellen, mit aufwendigen Techniken, die streng geheimgehalten werden. Erstaunlicherweise ist Schmuck aber der einzige Verwendungszweck für Glas. Bei Trinkgefäßen und Flaschen verwendet man lieber Ton oder Zinn und Fensterscheiben werden ohnehin nur von den allereichsten Mitgliedern der chiranischen Adelskaste in der Hauptstadt benützt, und das auch nur aus Prestigezwecken, schließlich hat man so etwas wie Scheiben bei dem Klima ohnehin nicht nötig.
FAMILIE, SITTEN, BRÄUCHE & MENTALITÄT
Die Familie ist ein sehr wichtiger Bestandteil für jeden Yedeiten. Dabei umfaßt die Familie mehr als nur Eltern, Kinder und Geschwister, auch Eingeheiratete, Cousinen und Onkel zählen dabei zum engsten Kreis, wobei den Alten eine besondere Verehrung entgegengebracht wird. Und da in den kleinen Dörfern in Zentral-Yedea oft alle Einwohner irgendwie miteinander verwandt sind, herrschen enge und vertraute Bindungen sowie eine warme und freundliche Atmosphäre in nahezu allen Dorfgemeinschaften vor. Die Achtung vor dem Alter ist dabei selbstverständlich. Je größer die Städte werden, desto mehr Familien leben in ihr. So kann es hin und wieder vorkommen, daß sich zwei von ihnen "nicht riechen" können, aber im allgemeinen herrscht Gastfreundschaft und das Gemeinschaftsgefühl vor, so daß man sich in den yedeitischen Kleinstädten sehr wohlfühlen kann, da einfach jeder jeden kennt.
Doch mit dem Aufkommen des Yedeismus hat sich ein Element doch sehr gewandelt: die Stellung der Frau. Die Zeiten der Gleichberechtigung sind vorbei, der neue Glaube stellt den Mann eindeutig über sein Weib. Bei den Dorfversammlungen, bei geschäftlichen Dingen, der Ausübung der Religion - die öffentliche Ausübung von Rechten und Pflichten ist den Männern vorbehalten.
Die Frauen nehmen es mit Humor - was bleibt ihnen anderes übrig, schließlich ist dieser Sittenwandel religiös bedingt. Sie wissen genau, wie sie doch noch ihren Einfluß geltend machen können, schließlich sind sie die Ehefrauen und können den yedeitschen Mann an seiner empfindlichsten Stelle treffen: seinem Heim. Zudem arbeiten die Frauen-Tratschrunden immer noch besser, schneller und exakter als die Männerversammlungen.
Trotzdem ist es mittlerweile so, daß der Hausherr die Rolle des Patriarchen inne hat, bei dem alle Entscheidung innerhalb seiner Familie liegen. So liegt es auch an ihm, über die Ehe seiner Kinder zu entscheiden.
Interessiert sich ein junger Mann für eine Frau, so hat der Patriarch der einen Familie mit dem Patriarchen der anderen Familie einen Vertrag abzuschließen. In diesem wird festgehalten, daß der Bräutigam ein Jahr lang bei seinem zukünftigen Schwiegervater arbeiten muß und erst dann die Tochter des Hauses wegführen darf. Früher galt es als wichtig, daß beide Kinder mit der Eheschließung einverstanden sind, doch heutzutage ist die Zustimmung der zu verheiratenden Braut nicht mehr nötig.
Liberalität hat aufgrund des strengen Yedeismus keinen sehr hohen Stellenwert mehr. Unangemessenes Betragen wird von der Obrigkeit (im Wesentlichen von den Priestern) als große Schuld angesehen. So sind viele Sitten einfach verschwunden und Dinge, die früher alltäglich waren, sind auf einmal strafbar. Ein Beispiel für den kulturellen und gesellschaftlichen Kahlschlag sei der früher übliche sexuelle Umgang mit Jugendlichen, der Päderastie. Was früher als normale Erziehung eines jungen Mannes galt, daß er mit älteren sexuelle Handlungen vollführt, galt heute schon als Verbrechen, das der Todesstrafe würdig wäre.
Die Mentalität der Yedeiten ist als freundliches, geselliges Gemüt zu bezeichnen, fern aller Hektik und Mißgunst. Mit gesundem Humor gesegnet, zeigen sie jedoch in allen Fragen des Glaubens große Ernsthaftigkeit.
DIE GESCHICHTE YEDEAS BIS ZUM ERSTEN KÖMIG (30 - 158 d.A.)
Man muß die Geschichte Yedeas streng von der Entwicklung der Yedeiten trennen. Denn die Yedeiten, die heute das Leben in den Städten bestimmen, kamen erst vor 200 Jahren in das Land. Ursprünglich waren sie ein Volk von Nomaden oder Karawanenführern, kleine Familiengesellschaften also, die unter der Führung des Patriarchen ganz Yedea durchstreiften. Das Land an sich war die Jahrhunderte zuvor von einem ständigen auf und ab geprägt. Regionale Reiche, kleinere Stadtstaaten und hin und wieder eine Theokratie verliehen dem Land eine bunte politische Landschaft. Vor zwei Jahrhunderten jedoch entschlossen sich die Yedeiten mehr und mehr sich in der Region niederzulassen und ihre Sitten und ihre Religion (eben der Yedeismus) wurden immer wichtiger und verdrängten schnell die ursprünglichen Ansichten der bisherigen Bewohner. Mit der ungeheuer schnell und gründlich voranschreitenden Ausbreitung der yedeitischen Bevölkerung und ihrer Religion brachen auch fast sämtliche größeren Regierungsstrukturen zusammen, so daß bald jedes Dorf sich selbst verwaltete - eben durch die Patriarchen. (Die eigentlichen Yedeiten, also der Volksstamm maß den Männern schon immer einen höheren Stellenwert bei. Die frühere Gleichberechtigung war nur bei den Einwohnern der Städte Yedeas, die durch die Yedeiten "übernommen" wurden verbreitet.) So schnell sich die Yedeiten in ihrer neugewonnenen Heimat wohlfühlten, so schnell entwickelten sie auch einen ausgesprochenen Sinn für Territorium. Hin und wieder kam es zu Konflikten zwischen den Yedeiten und den Einwohnern der alten Städte, die den Sittenwandel nicht mitmachen wollten. So kam es z.B. in Sedib 81 nach Gründung der Allianz (also vor gut 140 Jahren) zu einem kleinen Scharmützel zwischen yedeitischen Viehhändlern und einigen Einwohnern Sedibs. Die Unruhen in Sedib veranlaßten Vorovis dazu, einen Angriff auf die Stadt zu unternehmen, doch wurde ein Großteil der vorovisianischen Flotte durch einen plötzlichen Sturm stark beschädigt, so daß man von einer Invasion absah. Der Sturm sei angeblich von yedeitischen Hostinos-Priester beschworen worden. Die Errettung Sedibs vor der vorovisianischen Knechtschaft gab nicht nur dem Yedeismus als neuer Glaubensrichtung einen Vertrauensschub, sondern schlichtete auch schnell die Streitigkeiten zwischen Yedeiten und den Einwohnern der Städte. So fand in den nächsten Jahrzehnten eine starke Vermischung zwischen den beiden Volksstämmen statt und mit der Vermischung ging ein starker kultureller und vor allem wirtschaftlicher Aufschwung einher, aus dem schließlich ein starkes "Wir-Gefühl" entstand.
Fast 70 Jahre nach dem Vorfall in Sedib wurde der neue yedeitische Wohlstand von außen durch einige wilde Bergstämme bedroht, die erst nach harten Schlachten zurückgeschlagen werden konnten. Der Sieg über die Stämme und die anschließenden Jahre ihrer Verfolgung ließen das Selbstbewußtsein der Yedeiten schnell ansteigen.
Auch wenn es damals nominell immer noch kein gemeinsames Oberhaupt aller Yedeiten gab, so war doch die Religion zu jener Zeit so stark, daß jedes Wort eines Priestern jedem aufrechten Yedeiten ein wie Gesetz war. Und der herausragendste Geistliche jener Zeit war mit Sicherheit Sanuon. Sanuon galt als Heiliger und er wurde als Prophet und Richter gleichermaßen innig verehrt und zwar nicht nur unter den ursprünglichen Yedeiten sondern auch von den Einwohnern der alten Dörfern.
Die Überraschung und Aufregung in Yedea war groß, als Sanuon eines Tages von einer heiligen Vision sprach, die ihm Hostinos gesandt hätte, in der er aufgefordert wurde, über alle Bewohner von den Höhen von Votràyis bis zu den Ufern des Großen Stroms einen gemeinsamen König zu setzen. Und der oberste Gott habe ihm auch in der Vision gesagt, wer der neue Herrscher sein soll.
Die Wahl fiel auf Sebron, den jüngsten Sohn eines Eselzüchters aus einem Dorf ganz in der Nähe von Bet-Narekem. Keiner sei mehr von der Wahl Hostinos' überrascht gewesen als Sanuon selbst, aber er folgte dem Willen seines Gottes und salbte Sebron zum König.
Es ist wahrhaftig als Wunder zu bezeichnen, was damals geschah: denn welches Volk akzeptiert es ohne Murren, daß ein einfacher Bursche aus ärmlichen Verhältnissen, kaum zum Manne herangewachsen nun über sie herrschen soll? Aber der Einfluß Sanuons, seine Art, seine Visionen dem Volk vorzutragen und letztendlich auch die sympathische und Vertrauen einflößende Erscheinung des 19jährigen Sebron versetzten tatsächlich das gesamte Volk von Yedea, egal welcher Abstammung, egal welcher Schicht in einen Freudentaumel, der seinesgleichen in der Geschichte Yedeas suchte.
Und die ersten Könige Yedeas (bisher gab es zwei vor dem jetzigen König Roneam) schafften es durch weise Staatsführung ihre Herrschaft zu untermauern.
DER KÖNIG UND SEIN STAAT
In der Tat zweifelt heute niemand mehr die Autorität des Königs an. Sein Wort ist Gesetz und das ist wörtlich gemeint: der yedeitische König bestimmt direkt über die Gesetze und niemand darf ihm darin widersprechen. Er fungiert auch als oberster Richter und an jedem zweiten Tage versammeln sich zahlreiche Bürger aus allen Dörfern und Städten Yedeas am Hofe des Königs, um seinen Urteilsspruch zu hören.
Natürlich stehen dem König auch einige Berater zur Seite, doch sind ihre Funktionen wahrhaftig nur die eines Beraters und mit diesen Posten ist keine politische Macht verbunden.
Eine kleine Abhängigkeit muß sich der König jedoch gefallen lassen: wenn auch die Priesterschaft des Hostinos keine weltliche Macht darstellen darf - nach ihren eigenen Gesetzen - so herrscht doch der König nur durch ihre Legitimation. Gott hat ihn über die Yedeiten gesetzt und die Priester sind seine Gesandten. Und - das wichtigste - letztendlich bestimmen die Priester, wer der nächste König werden wird.
ZWISCHEN GILGAT UND SEDIB
Es war der Morgen des 3. Derrakhan, als Cristanson mit seinem Karkech die Goldene Stadt Yedeas am Großen Strom verläßt. Ein warmer Wind kommt von Osten her, streicht sanft über die träge dahinfließenden Fluten des Großen Stroms und läßt die hohen, schlanken in kleinen Hainen am Wegesrand stehenden Bäume leicht erzittern. Die Straße nach Sedib, der er zunächst folgt wird von vielen Angehörigen aller Völker benützt und gilt als eine der wichtigsten im Königreich Yedea. Die Reise auf der Straße, die nicht von der Seite des Großen Stroms weicht, führt Cristanson an kleinen Gehöften vorbei, um die herum einige Majinas und Viljanas weiden.
Niedrige Steinmauern, ohne besondere Kunstfertigkeit aufgeschichtet aber ihren einfachen Zweck erfüllend, halten diese bulligen, großen beschuppten aber glücklicherweise gutmütigen Tiere ab, sich davon zu machen und die Straße zu blockieren.
Schließlich wird es Mittag und nur von der Ferne hört man das dumpfe Rollen, mit dem Sanikas die Wolkenberge aufeinanderhetzt, um sich in kräftigen Gewittern zu entladen. Yedea wird von diesen Gewittern meist verschont - einerseits angenehm, schließlich macht es die Reise um einiges angenehmer, andererseits läßt er die Böden in Yedea nicht ganz so überquellen vor Fruchtbarkeit wie dies etwa in Elùrya der Fall ist.
Hin und wieder schweift der Blick über den Großen Strom hinüber: dort ragen die letzten Ausläufer des gewaltigen Votràyis-Gebirges in die Höhe. An manchen Stellen gibt es kaum einen begehbaren Uferstreifen auf der anderen Seite, so steil und schroff türmen sich die Felsmassen auf.
Gegen Abend, als das Sonnenband im fernen Westen schon zu erlöschen beginnt kommt zur rechten Zeit eine Herberge in Sicht. Schnell hat der Reiter zwei Kammern gefunden, nicht gerade standesgemäß, aber die Herberge war rechtvoll und für bessere Zimmer hätte man wohl früher kommen müssen...
Auch der nächste Reisetag, der in den Kalendern als der 4. Derrakhan verzeichnet ist, verläuft ruhig. Hin und wieder wird Cristanson von Schiffen überholt, die sowie die Strömung des Flusses als auch den günstigen Wind nutzen, um dem Metchà, dem Großen Ozean näherzukommen, während die Schiffe, die ihm entgegenkommen nur mühsam vorankommen.
Der Strom ist zwar so breit, daß man auf ihm gegen den Wind kreuzen kann, aber viele Schiffe nutzen die einfachere Methode, sich stromaufwärts zu Rudern(zum Glück ist die Strömung nicht sehr stark) oder sich von kräftigen Roputans, die auf der Straße neben dem Strom laufen ziehen zu lassen.
Als es gegen Nachmittag geht spürt der Kurier langsam das Dschungelklima Zentralchrestonims nach ihm greift. Es wird schwüler und der Bewuchs wird auch langsam dichter. Nichtdestotrotz hat man immer noch einen guten Blick auf die Landschaft, die sich hier nicht sehr von der rund um Gilgat unterscheidet. Ein untrügliches Zeichen dafür, daß man sich langsam der Garnisonsstadt Sedib nähert, sind jedoch die kleinen Garnisonen, die sich hin und wieder auf einigen Hügeln ausmachen lassen und Cristanson kommt gar eine Gruppe junger Soldaten und Soldatinnen entgegen, die in voller Montur in einem Eilmarsch von einem grimmig dreinblickenden Offizier mit Vollbart einen Hügel hinaufgescheucht werden.
Schließlich ist es wieder Abend geworden, als der Kurier vor sich die vom Schatten der verlöschenden Sonne schon verdunkelten Mauern der gewaltigen Festung Sedibs sich gegen den rötlichen Himmel abzeichnen seht.