Votràyis
Gebirge
Neben Chescea ist das Gebirge von Votràyis das höchste bekannte der Welt. Mehrere Tausend Schritt erhebt es sich wie ein Wall zwischen dem Metchà und den brodelnden Dschungeln der Senke. Das
Gestein ist scharfkantig und das Gelände sehr uneben und nur schwer zu bereisen, doch hat auch niemand Interesse daran, seine Gipfel zu erklimmen. Während den Stürmen und der Regenzeit fällt dort oben sogar manchmal Schnee und es kann empfindlich kalt werden, was viele dazu veranlaßt, in den höchsten Gipfeln das Reiche des Totengottes Yoroms zu sehen, dessen Domäne auch die Kälte und das Eis ist.
Der einzig bekannte Paß über das Gebirge wird von einer Straße genutzt, die auch der "Pfad Evetos" genannt wird. (Benannt nach einem chiranischen Heiligen, der vor vielen Jahrhunderten barfuß und ohne ein Körnchen zu essen ein verwundetes Menschenkind über die Berge trug.) In zahlreichen Serpentinen steigt der viel befahrene Pfad langsam aber beständig an, bis man eine felsige und kalte Ebene erreicht, für deren Durchquerung der Reisende doch einen halben bis ganzen Tag rechnen muß. Unvermittelt steht der Wanderer dann nach einem weiteren, schmalen Paß am Rande einer großen Steilwand, die das Ende von Votràyis und den Beginn der Senke markiert. Die Steilwand hat eine Höhe von über eintausend Vat und stellt zweifelsohne einen der beeindruckendsten Anblicke Zentralchrestonims dar. Genau an dieser Stelle schließt sich die Brücke an ein breites Felssims an, das bequem über den Pfad Evetos zu erreichen ist.
Doch auch die flacheren Ausläufer des Gebirges auf Elùryanischer Seite halten einige Überraschungen bereit. Eine der schmalen, tiefen Schluchten am Fuße des Gebirges wurde von einem wilden Menschenvolk, den sogenannten Alcidas, mit einem gewaltigen Wall vollkommen abgeriegelt: riesige Bäume wurden gefällt und übereinander gestapelt, spitze Speere und Fallgruben sollen jeden Eindringling von ihrem Tal abhalten. Gelegentlich rückt ein kleiner Trupp Alcidas zur Jagd aus und Menschen, die sie in ihre Gewalt bekommen, widerfährt eine sonderbare Behandlung:
Gerüchte besagen, den Gefangenen würden Teile der Haut herausgeschnitten werden, meist in Dreiecksform. Diese Hautteile würden gerne dem Nackenbereich, der Stirn, der Brust und den Handflächen entnommen. Was das zu bedeuten habe, konnte jedoch keiner derjenigen, die aus ihrer Gefangenschaft zurückkehrten, berichten. Es scheint jedoch so zu sein, daß nach dem Herausschneiden eine Art Untersuchung durch den Dorfältesten stattfinde. Danach hätten die Alcidas ihre Gefangenen stets wieder freigelassen. Die Alcidas selbst seien von abgrundtiefer Häßlichkeit. Von schlimmen Verunstaltungen ist die Rede.
Ein dritter Arm, der verkrüppelt aus dem Rücken wächst, ein fehlender Unterkiefer, übermäßiger Haarwuchs, all das könne man unter ihnen sehen. Allen hafte eine angstvolle, von tiefer Traurigkeit erfüllte Stimmung an. Die Alcidas verfügen zwar über eine Sprache, doch ist diese weder mit dem Chirjeya noch mit dem Sragishta verwandt und somit praktisch unverständlich.
Glücklicherweise verlassen sie ihre abgeriegelte Bergschlucht nur sehr selten und noch nie hat ein Bauer im Umfeld Estichàs einen auch nur in der Nähe der Stadt gesehen. Man sagt, sie seien sehr furchtsam und ergreifen vor großen Menschengruppen
stets die Flucht in geradezu panischer Angst.
Abgesehen von den Alcidas ist die einzige größere Gefahr, die das Vorgebirge von Votràyis bereithält die stattliche Population von Pera-Spinnen, die sich aber glücklicherweise ebenfalls nur in wenigen Schluchten des tieferen Berglandes konzentriert. Diese Spinnenart vermag schon durch ihre schiere Größe von durchschnittlich fünf Vat erschrecken, doch sind sie glücklicherweise sehr wasserscheu, so daß sie durch die zahlreichen Tümpel, die sich rund um das Bergland gebildet haben ganz gut von den bewohnten Gebieten Elùriyas abgehalten werden, jedoch bekommen die Bauern abseits liegender Gehöfte doch hin und wieder ihre Anwesenheit zu spüren...