Musik
Im Reich der Musik stehen sich zwei Lager unterschiedlicher Ansichten gegenüber. Die Trennlinie verläuft dabei zwischen den Kernländern der Allianz und den menschlich geprägten Regionen Yedeas und rund um den Metchà.
Musik ist bei den Chirà niemals Selbstzweck, sondern stets erfüllt sie eine Aufgabe. Die verehrenden, in majestätischen oder dramatischen Rhythmen schreitenden Heldenverehrungen, die eine beträchtliche Länge haben können, die gesungenen Gebete oder Schilderungen von Schlachten oder Familienchroniken, die den Hauptteil der chiranischen Musik ausmachen, werden instrumental nur sehr spärlich begleitet und so wird das Liedgut meist von einer einzigen Sängerin oder Sänger vorgetragen. Erst in den letzten Jahren ist man dazu übergegangen, die Gesänge mit szenischen Darstellungen der Handlung zu ergänzen, so dass eine neue Form des gesungenen Schauspiels im Entstehen begriffen ist. Doch es gibt auch chiranische Musik, die ohne Gesang auskommt und ihre Wurzeln in der Kriegerkaste hat:
„Daraufhin betrat eine Gruppe von jungen Kadetten der Akademie die ummauerte Empore über eine der Brücken. In ihren Krallen trugen sie lange Schlagstöcke, dazu an den Unterarmen jeweils einen kleinen runden Camura. Die erwartungsvolle Stille, die sich über das hoch aufragende Rund der Ränge legte, fand ein jähes Ende, als die jungen Kriegerinnen und Krieger ihre Schaukämpfe in festgelegten Formationen begannen, denn bei jeder ihrer Bewegungen schlug der Stab entweder auf den Boden, traf auf einen anderen der Stöcke oder prallte mit lautem Knall auf den eigenen Unterarmschild oder den eines Gegners. Je länger das Schauspiel andauerte, desto mehr steigerte sich der Rhythmus, einzelne Gruppen scherten aus dem allgemeinen Takt aus, verliehen dem hallenden Schlagen weitere Tiefe, mal steigerte sich das Trommeln zu einem donnernden Rollen, mal schien die Schlagfolge auseinander zu stürzen, nur um weit ausholend, doch immer in einem galoppierenden, unglaublich schnellen Rhythmus wieder zueinander zu finden. Die jungen Krieger schien es keine Mühe zu kosten, immer mehr gaben sie sich dem Takt hin, wirkten mehr wie von Mra-Aggar beseelte Tänzer, tief im Rausch des Schlagens und Trommelns verfangen. Immer mehr Zuschauer fielen mit Rufen von den Rängen in diese Klänge ein, stachelten die Kämpfer an, bis die ganze Arena von einer einzigen donnernden, ekstatischen Musik erzitterte und von Rhythmen erfüllt war, denen sich Herzschlag und Denken völlig unterwerfen.
Als das Schauspiel irgendwann endete - ob nach In der Tat ist in Chrestonim die Dampfmaschine bereits erfunden worden. Gleichzeitig muß man sich jedoch von den klassischen Vorstellungen die man mit diesem Wort verbindet (wie die Eisenbahn) trennen. Die chiranischen Dampfmaschinen sind wahre Ungeheuer, riesig, schmutzig, laut, gefährlich und alles andere als rentabel. Eine wirtschaftliche Nutzung liegt noch in weiter Ferne, vielmehr sind sie Prestigeobjekte, gleichsam Symbole für den scheinbar grenzenlosen Triumph des schöpfenden, denkenden Geistes über die Natur.
Nützlich sind sie selten und der Sklave als billige Arbeitskraft und die gute alte Reitechse oder das Schiff als Transportmittel konnten (obwohl es an Versuchen nicht mangelte!) bisher nicht ersetzt werden. Das Fantasy-Genre wird dadurch also nicht ausgehebelt, dafür wird die Technologie auch zu eifersüchtig bewacht, ist viel zu störanfällig und viel zu selten.
Minuten oder Stunden vermag ich kaum zu sagen - hatte nicht ein Kämpfer sich verletzt, nicht ein Schlag hatte sein Ziel verfehlt, wenngleich viele der Kadetten sich mit geschlossenen Augen in den Schoß der Trance haben gleiten lassen...“
Aus den Tagebüchern des Kapitäns Miran Amra, 225 d.A.
Das sogenannte Toudra psujuktan ist eine Begleitung zu Waffenübungen,das zu Trance oder zu Ekstase führen kann. Sei es nun in geschmeidigen Bewegungen oder in wilden, akrobatischen Angriffen gegen einen Scheingegner, das Toudra ist als Mittel zur Konzentration oder zur Freisetzung von mentalen Energien immer, wo es möglich ist, dabei. Träger des Toudras sind die großen Kriegerakademien, denn hier begleitet die nur aus Schlägen und rhythmischen Mustern bestehende Musik Schaukämpfe oder Prüfungen. Ganz selten ist ein Klanginstrument dabei, schon häufiger ist hingegen die Begleitung durch einen Sänger, der meist langgestreckte, fast jaulende Töne von sich gibt. Bei größeren Feierlichkeiten werden von der Kriegerkaste häufig die Toudra psujuktan matunichán dargeboten, in der die Musik allein durch die Schläge und Klänge der Waffen, die entweder aufeinander oder (wie im Falle von Kampfstäben) auf den Boden prallen. Diese Schaukämpfe sind höchst spektakulär und werden selten gezeigt, da sie von allen Beteiligten höchste Konzentration erfordern. Im Toudra psujuktan inrunichán hingegen wird von Anfang an improvisiert und alle Kämpfer versuchen im Laufe der Darbietung im anfänglichen Durcheinander der Schläge und Schreie einen Rhythmus zu finden.
In Zentralchrestonim von Ashrabad über Yedea bis nach Estichà und Men-Achor ist Musik vor allem als Begleitung von Tänzen und als Hintergrundmusik zu Feiern durchaus gebräuchlich und wird so auch gerne um ihrer selbst Willen gehört. Hin und wieder kann man also Spielleuten begegnen, die in den Städten ihre Kunst darbieten.
Besondere Beachtung muß in diesem Zusammenhang Meister Damanoë, einem menschlichen Gelehrten geschenkt werden, der mit seiner Schrift „Musik im westlichen Zentral-Chrestonim, welche traditionell von den Menschen benutzt wird“ in neue Bereiche der Musik vorgestoßen ist und für nicht immer billigendes Aufsehen gesorgt hat.
So führte er nicht nur Namen für die einzelnen Töne ein (wobei er die Anfangsbuchstaben der Kinder Hostinos‘ verwendete, im einzelnen: Van, San, Yor, Jho, Gra, Chi und Del), sondern definierte auch verschiedene Tonräume und Tonarten. Ob sich seine Theorien und Einteilungen durchsetzen werden, bleibt noch abzuwarten.