Außenborn

Volk/ Gruppe

Ein Gesetz Ashrabads spaltet das Volk dort in zwei Klassen: Kinder, die aus einer ordentlichen, durch einen Priester verbundenen Ehe stammen, genießen Freiheit und sind normale Bürger der Stadt. Ob sie nun Kinder einer Adelsfamilie, eines Handwerkshauses oder Nachkommen von Bauern sind, die in einer ärmlichen Hütte leben, sie alle sind „Innenborn“.

All jene Kinder jedoch, die aus den unzähligen lustvollen Tagen und Nächten entstanden sind, sind „Außenborn“. Dabei spielt es absolut keine Rolle, ob nun die eheliche Tochter eines reichen Kaufmanns die Mutter des Produktes einer wilden Nacht mit einem Fremden ist oder ob das Kind ohnehin von einer Außenborn geboren wurde - das Kind wird bei seiner Geburt mit einem Mal an seiner rechten Schläfe versehen, das ihn für immer und ewig als Außenborn kennzeichnet. Ein Innenborn hingegen erhält kein solches Mal und die Makellosigkeit seines Gesichtes legt strahlendes Zeugnis über die reine, eheliche Herkunft ab.

Der junge Außenborn hat es nicht einfach - er ist quasi ein Gesetzloser. Er hat kaum nennenswerte Rechte. Ein Innenborn muß gar nur eine geringe Strafe zahlen, wenn er einen von ihnen erschlägt. Und vor allem: ein Außenborn darf das Reich Ashan'drar nicht verlassen und sie dürfen nicht heiraten.

Ein männlicher Außenborn hat es aber oftmals besser als eine weibliche. Regelmäßig ziehen sogenannte Provisitoren durch die Straßen, vor allem die der typischen Außenborn-Viertel und begutachten die jungen Burschen und Männer. Ist einer dabei, der den Provisitoren als würdig genug erscheint, so steht es ihnen frei, den Jungen mit sich zu nehmen. Manche Provisitoren sind selbständig arbeitend, die meisten jedoch stehen im Dienste großer Adels- und Kaufmannshäuser.

Wird ein Außenborn von der Familie akzeptiert, so wird das Außenborn-Mal des jungen Mannes ergänzt, so daß das ganz spezifische und unverkennbare Besitz-Symbol des jeweiligen Hauses daraus wird. Ab sofort steht der Außenborn im Dienste eines Hauses und damit unter dessen Schutz. Das wichtigste jedoch: mit dem Erhalt des Haussymbols darf er heiraten, wenn auch nur eine Außenborn. Die weiblichen Außenborn tragen ein härteres Schicksal: sie werden von Provisitoren nicht aufgenommen. Sie müssen sich - wie ihre männlichen Kollegen, die nie von einem Provisitor aufgenommen werden auch - einen Lebensunterhalt suchen. Und der ist zwar in einer Stadt wie Ashrabad schnell zu finden, aber meist erniedrigend und äußerst hart. Das Gesetz sieht jedoch vor, daß eine Außenborn, die drei Kinder geboren hat (die aufgrund des Heiratsverbotes zwangsläufig ebenfalls Außenborne sind) von der Stadt ebenfalls eine Ergänzung ihres Males erhält und ab sofort sowohl heiraten als auch von einem Provisitor aufgenommen werden darf. Das Überschreiten dieser Schwelle wird in Ashrabad die „Erhebung“ genannt. Heiraten ein von einem Haus aufgenommener Außenborn-Mann und eine erhobene Außenborn-Frau und zeugen ein Kind, so ist dieses Kind ein Innenborn, dem alle Möglichkeiten offenstehen.

So wünscht sich jede Außenborn viele Kinder - je schneller sie drei geboren hat, desto schneller wird sie erhoben. So erhält die Stadt ständig einen Nachschub an Außenborn-Kindern, die die umündigen, billigen Hauptarbeitskräfte der Stadt darstellen. Auf die Einhaltung des Gesetzes wird streng geachtet: eine Außenborn muß die Geburt eines Kindes melden und es mit dem Außenborn-Mal versehen lassen (was meist von staatlicher Stelle erledigt wird), sonst droht der sofortige Tod der Mutter. Da nach drei gemeldeten Kindern jedoch ohnehin die Freiheit gewährt wird heiraten zu dürfen und von einem mächtigen Haus aufgenommen zu werden, kommen Verstöße gegen das Gesetz selten vor. Selbstverständlich ist es Außenborn erlaubt, die Bordelle aufzusuchen. Das Gesetz sorgt automatisch dafür, daß genug junge Frauen und Männer dort sind, um die Gäste der Stadt zu beglücken. Alle, die nicht das Außenborn-Zeichen tragen (also Innenborn und alle Reisenden aus anderen Städten), dürfen auch die zahlreichen teuren, aber hoch wirksamen Tränke erstehen, die eine Schwangerschaft verhindern. Schließlich will die angesehene Innenborn-Dame auch ihren Spaß haben, ohne den biologischen Preis in Form eines kleinen Außenborn zahlen zu müssen.