Gestalt der Welt
Folgender Text ist freilich aus irdischer Sicht verfaßt - so nüchtern und wissenschaftlich wird kaum ein Einwohner Chrestonims seine Umwelt wahrnehmen. Da die Materie jedoch nicht gerade einfach ist, ist der Ton an dieser Stelle etwas sachlich ausgefallen.
Die Welt Chrestonim ist wie eine Röhre geformt, wobei die Landschaft auf ihrer Innenseite liegt. Blickten also die Bewohner Chrestonims, egal ob in Mradoshan oder in anderen Gegenden nach oben, so sähen sie die Achse der Röhre, bzw. gar die andere Seite, gäbe es nicht das Himmelsgewölbe, das wie eine weitere Röhre im Inneren Chrestonims liegt, so dass sich die Biosphäre der Welt wie ein Ring um das zylinderförmige Himmelsgewölbe schließt. So ist im Gegensatz zu einem Planeten die Oberfläche Chrestonims nicht nach außen, sondern nach innen gewölbt. Das heißt, daß es einem Betrachter so scheint, als ob die Landschaft vor ihm leicht ansteige (Was sich ja auch tatsächlich so verhält!), wenn er senkrecht zur Röhrenachse blickt. Dieser Effekt macht sich aufgrund der Größe der Röhre allerdings kaum bemerkbar: in irdischen Maßen gesprochen steigt das Gelände nach einem Kilometer Fortgang - ganz unwissenschaftlich formuliert - um etwas über einen Meter an, nach 10 km um 117 Meter und nach 50 km schließlich bereits um fast 3 km. In einer feuchten Dschungelwelt wie Chrestonim wird man selten so weit sehen können, doch nichtsdestotrotz ist dieser Effekt im Prinzip wahrnehmbar und auch den Einwohnern Chrestonims bekannt: sie wissen also, daß ihre Welt eine Röhre ist, wie groß genau sie ist, ist jedoch nur schwer zu schätzen (obige Angaben stehen den Gelehrten Mradoshans nicht zur Verfügung). Die Meinung der Wissenschaftler und Zahlenmystiker schwankt zwischen einem Radius von 7x7x7 Tausend Vat (ca. 340 km) und 7+7 Mejh (ca. 480 km). Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen.
Über Ihre Länge hingegen ist man sich relativ sicher - aus Sonnenbeobachtungen will man errechnet haben, daß die Welt exakt 4x7 Mejh und 8 Evet (zusammen knapp 1000 km) lang sein soll. Das bereits erwähnte Himmelsgewölbe war ebenso bereits Thema zahlreicher Untersuchungen und Disputationen: seine Entfernung vom Meeresniveau der Welt Chrestonim wird auf um die 5 Evet geschätzt (ca. 25 km). Auf dem Himmelsgewölbe bewegt sich die Sonne, es selbst wird von den endlosen Wänden der Weltenenden gestützt, sowie von den Himmelssäulen, von denen es der Legende nach sieben geben soll, aber bisher nur zwei sicher beschrieben wurden: eine im südlichen Yedea und eine im Gebirge von Votràyis nordöstlich von Estichà. Mindestens ein Evet stark schrauben sie sich unbeirrbar in luftige Höhe und verschwinden schließlich in den Wolken. Die Sonne (Soa) geht im Osten, also über der Allianz auf. Zunächst zeigt sich nur ein fahles Leuchten, der den östlichsten Teil des Himmels bedeckt, doch schließlich erstrahlt nahezu der ganze Himmel in einem diffusen Licht. Einen einzelnen leuchtenden Lichtpunkt wie auf der Erde bekommt man nicht zu Gesicht. Diese gleißende Fläche erfüllt nach Vermutungen verdienter Gelehrter das ganze Himmelsgewölbe einmal rund um die Welt - wie ein titanischer Ring. Dieser Ring schreitet im Laufe des Tages nach Westen, um dort nach 12 Stunden zu verlöschen. Die Breite der Sonne wird auf 7x7 Evet (ca. 250 km) geschätzt.
Etwas bemerkenswertes ist der Mond (Yuna), von denen es wahrscheinlich mehrere (mindestens jedoch zwei) gibt. Als helle, fahle Lichtflecken bewegen sie sich des Nachts langsam über den Himmel, doch scheinen ihre Bewegungen weder einer bestimmten Richtung, noch einem Muster zu folgen. Schon seit Jahrtausenden beobachtet man die Monde und noch nie habe einer zweimal denselben Weg genommen. Auch sie bewegen sich am Himmelsgewölbe fort. (Erst durch ihre Beobachtung konnte die Höhe des Himmelsgewölbes geschätzt werden.)
So etwas wie Sterne sind in Chrestonim unbekannt. Zwar gibt es hin und wieder unerklärliche Leuchterscheinungen am Himmel, doch sind sie unregelmäßig und wirr. Sterne aber existieren also in der Dschungelwelt nicht und es gibt auch keine entsprechende Bezeichnung für sie.
Die Bezeichnungen Ost, West, Nord und Süd sind lediglich in Gebrauch, um Ihnen als Leser einen Anhaltspunkt zur besseren Vorstellung zu geben. Die Einwohner selbst haben zwar Wörter, die ebenfalls diese Himmelsrichtungen bezeichnen, doch haben Sie sie nach der Ausrichtung der Röhrenachse und dem Lauf der Sonne definiert. "Osten" ist für sie dort, wo die Sonne aufgeht und gleichzeitig die Richtung, wo die Welt "flach" ist. Westen ist entsprechend die Gegenseite. "Nord" und "Süd" sind die "gekrümmten Richtungen" und werden ebenso an den beiden Weltenenden und dem Lauf der Sonne definiert. Die Einwohner sind sich wohl bewußt, daß 'Norden' ein schwammiger Begriff ist, denn er ist in Chrestonim genauso wenig zu definieren wie der 'Westen' auf unserer Erde - alles liegt auf unserem Planeten irgendwie 'westlich', und sei es, daß man einmal um den Planeten herumreisen müßte.
In Chrestonim sind sozusagen nur ein West- und ein Ostpol definiert. Allerdings gibt es eine weitere ganz gute Orientierungshilfe: die Monde, egal wie wirr ihre Bahn auch sein mag, ziehen langfristig immer nach Süden.