Der Lijankult
Lijan
Die Göttin des Chaos und der Vernichtung. In allen großen Kulten ist sie als das personifizierte Böse bekannt. Während sie im Alten Kult mit Mra-Aggar gleichgestzt ist, wird sie im Neuen Kult als Dämonin angesehen. Auch im Yedeismus ist Lijan eine Faszette Mra-Aggars, da es hier jedoch neben Hostinos keine Götter gibt, wird sie als Dämonin verteufelt. Wenn sich die drei Kulte in einem einig sind, dann ist es im Kampf gegen Lijan und ihre Anhänger.
DIE GESCHICHTE
Wie schon Achrijas in seiner Schrift "Über das Wesen der Ketzerei" deutlich hervorhob, führt die einheitliche Bezeichnung Kult der Lijan häufig, auch unter Gelehrten, zu Verwirrung und Mißdeutungen. Zu Lebzeiten der heiligen Lajeya wurde im religösen Schrifttum der Provinz Rac prinzipiell Mra-Aggar als Lijan bezeichnet, während in den Schriften der traditionellen Anhänger des göttlichen Dualismus der Name für den zweiten Pol des Götterzweigestirns Mra-Aggar bestehen blieb.
Diese frühe "Lijan-Kult" muß als der Vorläufer der Glaubenwahrheiten des Neuen Kultes aufgefaßt werden und steht in keinem Zusammenhang mit ketzerischen Lehren des späteren Kultes der Lijan, der Hostinos als den Herren der Form, dem Feind allen Lebens schechthin, bezeichnet.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Verehrung der ketzerischen Lijan,jener dunklen Herrin über Chaos und Tod, bis in die Zeit vor etwa 3.400 Jahren zurückreicht. Doch erst im Jahre 2.979 v.A. nimmt der Kult durch die Offenbarung der Lijan und die Einsetzung des ersten Hohepriesters geschichtlich faßbare Formen an. Weder über Organisation noch Umfang des Kultes können haltbare Aussagen getroffen werden. Als gesichert gilt allein das Datum der Einsetzung, sowie der Sitz des ersten Hohepriesters, die Gründung der Lajeya-Jünger, die nachmalige Hauptstadt der Allianz. Der Kult, wie aus den spärlichen Aussagen verhafteter Anhänger hervorgeht, hatte schon bei seiner Gründung den Charakter einer Verschwörung gegen alle göttlichen und irdischen Werte. Zeugnisse und Belege über die Aktivitäten des Kultes sind daher höchst spärlich.
Erst mit dem Auftreten der Yorana-Seuche, ca 1500 v.A., tritt der Kult wieder an die Oberfläche der geschichtlich faßbaren Tatsachen. Das entsetzliche Wüten der Seuche, die kein Ende nehmen wollte und Zehntausenden Chirà Altrijian das Leben kostete, ließ den Glauben an den Alten Kult ins Wanken geraten, umso mehr als sich alle Opfer ins Gegenteil zu verkehren schienen. Nur Rac, daß nach dem Auszug der Lajeya-Jünger gänzlich zur traditionellen göttlichen Dualität zurückgekehrt war, wurde weitgehend von der Seuche verschont. Es kann als gegeben angenommen werden, daß die Lijan-Anhänger den Rückbesinnungsprozess, der nun in weiten Kreisen der Chirà Altrijian einsetzte, wenn schon nicht eingeleitet, zumindest mit allen Kräften gefördert haben. Der Zulauf den der Kult erhielt, führte schließlich zum ersten Chisma. Die Lehren, die der Kult nun öffentlich verkündete, waren stark an den traditionellen dualistischen Kult angelehnt und als die Seuche mit steigender Verehrung der Mra-Aggar zurückging und schließlich ganz erlosch, verlor der Alte Kult weitgehenst seinen Einfluß und wurde in der Folgezeit ganz verdrängt. Innerhalb der Priesterschaft des Lijan-Kultes wuchsen die Gegensätze zwischen den Anhängern der Äußeren Lehre, wie die betont traditionell ausgerichtete Massenbewegung auch bezeichnet wurde, und den Verfechtern der Reinen Lehre, wie sie in der Offenbarung niedergelegt war. Diese Spannungen führten im Jahre 1489 v.A. zur endgültigen Spaltung und dieses Datum kann daher mit Recht als die Geburtsstunde der bis heute bestehenden, blasphemischen Heräsie bezeichnet werden.
Während die Anhänger der Äußeren Lehre in den folgenden Jahren immer mehr zu den Ursprüngen der rac`schen Tradition zurückfanden, verschwanden die Verfechter der Offenbarung völlig aus der Öffentlichkeit, doch nicht ihr Einfluß.
Im Jahre 1483 v.A. verhängte der Priesterrat der Mra-Aggar den Bann über alle Anhänger der Lijan, wie die Verfechter der Reinen Lehre nun im Gegensatz öffentlich bezeichnet wurden. Aller göttlichen und irdischen Rechte verlustig gegangen, wurden sie für vogelfrei erklärt. Die große Verfolgung des Lijan-Kultes setzte im ganzen Gebiet der Chirà Altrijian mit Feuer und Asnichara ein. Viel ist seither über die religösen Aspekte der Entscheidung des Priesterrates diskutiert worden, die sich der Beurteilung durch die Feder des Geschichtsschreibers entziehen, doch scheinen irdische Gesichtspunkte, vor allem im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Hohepriesters, eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt zu haben. Die Verfolgung nahm im Jahre 1479 v.A. ein plötzliches und bis heute rätselhaftes Ende.
Das Schicksal der starken Expedition, die ins unzugängliche Bergland des Sanescyas entsandt wurde, um den Hohepriester des Kultes und seine letzten Anhänger der Gerechtigkeit auszuliefern, ist unbekannt.
Für die nächsten Jahrhunderte verschwand der Kult fast vollständig aus dem Bewußtsein der zivilisierten Völker. Vielfach wurde er als erloschen angesehen und selbst die sehr spärlichen Berichte als Legenden abgetan. Erst der Ausbruch des ersten Kastenkrieges um 600 v.A. und die Eshjiadas Verschwörung rücken mit der Aburteilung und des Geständnisses des Oberhauptes des Eshjiada Clans den Kult wieder in das Blickfeld der Geschichte. Doch die Wirren des Krieges verwischten bald darauf sämtliche Spuren. Es kann davon ausgegangen werden, auch wenn dokumentarische Beweise fehlen, daß er Kult auch bei den folgenden Kastenkriegen aktiv beteiligt war. Trotz aller Unsicherheiten und dem der Natur des Kultes entsprechenden Mangel an Zeugnissen kann mit Berichtigung angenommen werden, daß der Kult seinen Einfluß bis zum vierten und letzten Kastenkrieg erweitern und ausbauen konnte.
Immer wieder stieß die Heilige Inquisition auf Spuren des Kultes, doch erst im Jahre 7 d.A. gelang der heilige Inqusition der bisher größten Schlag gegen die Herätiker. Im Prozess von Lidraja wurden 69 Angeklagte der ketzerischen Anbetung der Lijan überführt und dem Feuer übergeben. Erst in jüngster Zeit erregte der Kult wieder unrühmliches Aufsehen. Eine Revolte in der Stadt Esticha im Jahre 222 d.A. im Namen der Heiligen Mehdora und das damit notwendig gewordene Eingreifen der Heiligen Inqusition erbrachte aufs Neue Beweise der Existenz jener fluchwürdigen Ketzerei. Dem segensreichen Wirken der Inquisition ist es zu verdanken, daß in diesem denkwürdigen Jahr ein hoher Priester der Ketzer und einige seiner Anhänger der verdienten Strafe nicht entkommen konnten. Doch trotz dieses Triumphes des wahren Glaubens, muß davon ausgegangen werden, daß der fluchwürdige Kult der Lijan damit nicht ausgerottet wurde.