Schon der erste Anblick der schwarzen Stadt beantwortet jede Frage, warum Vorovis diesen Beinamen trägt:
Hohe grobbehauene Steinmauern ragen vor dem Wanderer auf, sieht er das erste Mal auf die Stadt. Wehrgänge und Türme blicken mit dunklen, leeren Augen mürrisch auf jeden hinab, der es wagt sich dieser Stadt zu nähern. Das mächtige Stadttor mit seinen metalldornbewehrten Flügeln erscheint wie das Maul eines Monsters, das Hunger hat. Die große Maueranlage übersteigt die Vorstellungen von dem Wort „groß“, und dumpf hallt in den Erinnerungen das Wort „titanisch“. Die drei hintereinander gestaffelten Mauerringe, der nachfolgende immer 5 Vat höher als der vordere, halten mit Sicherheit jeglichem Bezwinger stand. Egal, ob er hinein oder heraus will. Die Toranlagen werden mehrfach gesichert, und alle Wehrgänge sind ständig von über 100 Soldaten der Stadtwache bemannt.
Läßt man endlich das Tor nach bisweilen demütigenden Durch- und Untersuchungen hinter sich, so scheint die Sonne sich völlig vor diesem Anblick verstecken zu wollen.
Obwohl es mitten am Tag ist, ist es düster wie bei Dämmerung. Die Straßen werden von Fackeln gesäumt, die mit metallenen Haltern alle paar Vat befestigt sind. Die Straßen sind eng, schmutzig und finster. Man kann sich des Gefühls des Eingesperrtseins in einer tiefen Felsspalte nicht erwehren. Ein Blick nach oben macht es einem nur um so mehr bewußt. Die Befestigungsmauern verhindern, daß die Stadt sich in die Breite ausdehnt. Also wächst sie in die Höhe. Man findet kein Gebäude, das weniger als sechs Stockwerke zählt. Durch die schmalen steingemauerten Furchen, die man hier Straßen nennt, dringt nur wenig Licht bis zum Boden. Wenn es woanders 12 Stunden am Tag hell ist, so ist es hier nur am Mittag, wenn die Sonne senkrecht über der Stadt steht. Die Leute scheinen das Lächeln hier verlernt zu haben und sehen jeden Unbekannten verstimmt und argwöhnisch an. Offen getragene Waffen, die Hände ständig am Knauf, bereit in jedem Augenblick den kalten Stahl zu ziehen, scheint es, als ob die Stadt kurz vor dem Ausbruch einer Schlacht steht, die nur mühsam durch die schwerbewaffneten Patrouillen unterdrückt wird. In den schmalen, überfüllten Gassen gehen die Leute sehr nah - zu nah - aneinander vorbei, und man hat das Gefühl, als ob jeder auch nur lauere, angerempelt zu werden, um dem "Feind" seine Waffe in den Bauch zu rammen. In den schon bedrückend engen Gassen rinnt in einer Mittelfurche der Dreck und die Fäkalien der Stadt. Der Gestank der Suppe und die Körpergerüche der Menschen lassen einer feinen Nase die Übelkeit aufsteigen und nur mühsam wird der Drang unterdrückt, seinen Teil dazu zu fügen. Jeder der auch nur ein wenig zu lange steht, wird gleich von einer der zahlreichen Patrouillen angesprochen und mit zynischem, bellendem Ton weitergeschickt. So herrscht ein drängendes, dunkles, stinkendes Treiben auf den Straßen, und wenn man sich umsieht, findet man nichts Grünes, Lebendiges, und nur Müll und Schimmel scheinen hier die Wände hochzuwachsen, aber keine einzige Pflanze.
Vorovis ist in seinem Süden von einer Steilwand begrenzt, an die sich die mächtige Zitadelle der Stadt anschmiegt, die gleichzeitig auch Regierungspalast des Regimes ist. Als einziges Gebäude der Stadt neben den Mauerringen weist es nicht den typischen vorovisianischen Baustil auf: fast sämtliche Häuser wurden im Laufe der Jahrhunderte nach oben erweitert und stets im damals vorherrschenden Stil, ja sogar verschiedene Gesteine wurden verwendet.
Bemerkenswert ist auch der sogenannte Suk, ein gewaltiges, sechsstöckiges Marktgebäude, sowie der prachtvolle Hostinostempel, der Hauptsitz des Alten Kultes.